Persönliche Erfahrung: Der Schmerz der Fruchtsäure

Nach meiner Tumorentfernung im Zungengrund und mehreren radiologischen Behandlungen – darunter die damals noch übliche Brachy-Therapie – waren meine wichtigsten Speicheldrüsen zerstört oder stark geschädigt.

Als ich nicht mehr über Nasenschläuche und PEG ernährt werden musste und erstmals wieder den Mut fasste, Nahrung durch den Mund aufzunehmen, reichte man mir einen Fruchtjoghurt. Was wie ein kleiner Triumph hätte sein sollen, endete in einem Schrei vor Schmerzen. Niemand war darüber mehr verwundert als ich selbst: Es war der geringe Fruchtsäureanteil des Kirschjoghurts, der meine Schleimhäute regelrecht brennen ließ. Lächerlich – und zugleich alarmierend.

Doch das war erst der Anfang.

Als Künstler hatte ich viele Jahre für Weingüter und Händler Etiketten gestaltet, besonders während meiner 17 Jahre in Spanien. Entsprechend sorgfältig und reichhaltig ist unser Weinkeller bestückt. Umso härter traf mich die Erkenntnis, dass ich keinen Wein mehr trinken konnte. Oft stand ich mit Tränen in den Augen vor den Regalen – nicht wegen des Alkohols, sondern wegen des Verlusts eines gesellschaftlichen Rituals, das mir plötzlich verwehrt war.

Heute, fast 25 Jahre später, kann ich wieder vorsichtig einen stark verdünnten Wein zum Essen genießen. Es ist ein kleines Glas Normalität – und zugleich ein großes Stück gesellschaftliche Teilhabe, das mir zurückgegeben wurde.


Wein und Säure – eine kurze Orientierung

Der Säuregehalt eines Weins hängt von Klima, Rebsorte und Ausbau ab. Für Menschen mit empfindlichen Schleimhäuten – etwa nach Krebsbehandlungen – kann das entscheidend sein.

1. Herkunft und Klima

  • Nördlichere Weinregionen (Deutschland, Österreich, Nordfrankreich): Trauben reifen langsamer, behalten mehr Fruchtsäure. Weine wirken frischer, aber oft auch „saurer“.

  • Südlichere Regionen (Spanien, Süditalien, Griechenland): Höhere Sonneneinstrahlung führt zu reiferen Trauben mit weniger Säure. Diese Weine sind oft milder.

2. Rebsorten und Ausbau

  • Spätlesen & Dessertweine: Längere Reifezeit → mehr Zucker, weniger Säureempfinden.

  • Moscatel (Muskateller): oft süß, aromatisch, mit niedrigerer Säure – genau deshalb verträglicher für viele Betroffene.

  • Schaumweine / Rieslinge: meist deutlich höhere Säure, daher problematisch.

3. Praktische Tipps

 

  • Verdünnen mit stillem Wasser kann den Säuregehalt gefühlt abmildern und die Verträglichkeit erhöhen.

  • Süße Weine sind häufig milder in der Säurewirkung – auch wenn Weinkenner sie belächeln.

  • Probieren statt verzichten: Kleine Mengen, gut gekühlt, langsam genießen – so lässt sich gesellschaftliche Teilhabe zurückgewinnen.