Arno Schmidt, Klaus Groth, Friedrich Hebbel und Gustav Frenssen warten auf den vierten Krug.
Die erste Vorstellung der Illustrationen zur "Schule der Atheisten" von Jens Rusch fand am 15. November 19191 in der Galerie "Zufriedenheit" unter dem Arbeitstitel "Vorläufiges zur Schule der Atheisten" in Gudendorf/Dithmarschen statt. Die Laudatio von Dr. Martin Lowsky finden Sie auf der Seite Arno Schmidt 1. Nach einer motivierenden kleinen Ausstellung um Dithmarscher Landesmuseum unter dem Titel "Von Göttlichem und Gottlosen" entwickelte sich im April 2025 die Vorstellung einer Folge-Ausstellung unter dem Arbeitstitel "Nachläufiges zur Schule der Atheisten". Der Entwickelung dieser Motivationskette soll diese Seite dienen.
Die Alraunen von Seite 26
"HohlFormen in MenschenGestalt (meist widerwärtigen)":
Gemeint ist offenbar eine Art künstlicher Mensch – ausgehöhlt oder leer, eine groteske Karikatur der Menschlichkeit. "werden junge Rüben hineingesteckt":
Schmidt nimmt hier die alte Legende der Alraune (eine menschenförmige Wurzel, die angeblich Schreie ausstößt, wenn man sie aus der Erde zieht) auf und kombiniert sie mit dem grotesken Bild, dass man Junggemüse in Formen wachsen lässt – eine Mischung aus Golem, Frankenstein und Gartensatire.
KOLDERUP: »Teurer Guide; wenn Du Dir einbilden solltest ...«; (zum Apo): »sind die Alraunen dies Jahr nu endlich ma’ geraten? –«; (zum Guiden): »HohlFormen in MenschenGestalt (meist widerwärtigen): werden junge Rüben hineingesteckt, und man läßt die Model voll=wachsen. Und dem von Dir geschilderten Ideal des diabolischen Provisors, dürfte der Herr Papa=hier gar nicht übel entsprechen: wenn man Dem noch einige Sätze voller Barbarismus und Unsinn einlernte; und Tricks wie, über jede Quittung ein geheimnisreiches # aufs zierlichste zu malen ...«; (zum Apo): »Erklär’n Se erstma weiter.« (Und machen Se ja kein’n Fehler!)
GUIDE (angeregt. Ach!): »Der will an Deine Suse ran? (Ach, daher auch dies Gretna=Grin’sn schon von weitem. – Am Hang dort; wo die ›3 tanzndn Meerkatzen‹?;
ah=ja.). Etwas kurz, wie?; (aber stemMich! Und Suse auf Dessn Schoß?; das heißt freilich, eine PulverTonne auf ein KohlenFeuer setzn!). – (?): ach Dér iss das?!«; (Der im
›Grünen Boten‹, und in der ›Eidora‹, die Sonette verzapft. Und diese knollijn ›Erdachtn Gespräche‹: ›Darwin und die Venus von Milo‹; ›Themistokles und Emilia Galotti‹; ›Simson mit
einem Superintendentn‹; ›Magnus Hirschfeld und Gustav Gründgens‹; ›Talma und Melanchthon‹): »Wahnsinnich=komisch!
Allein dies Pseudonym: ›Halicacabum‹!«
»Was ha’m Se’nn da in Ihren dikkn PackTaschn drin? ›Kräuter‹?: zeign Se ma’; und sagn Se was dazu: ? –«
APOTHEKER (schnallt, mißmutig, eine der, beulijn, SattlTaschen vom Styx; mit dem Bemerken, daß er seit ›so ein Tager 14‹ an den WaldSäumen, rund um das Reservat, das KräuterWeib mime): »Die alte Hanne Meinardi kann ja nich hintn hoch –«; (dies zu Mir). KOLDERUP: »Verfassn Se doch mal ein ›Botanisches Martyriologium‹: ›von Pharmazeuten, so beim Botanisieren den Tod gefunden‹ ... ?«
APOTHEKER (verteidigend): »Rabelais’ Vater: iss auch Apotheker gewesn!«
APOTHEKER (gibt ihm einen halb vorwurfsvollen, halb schmachtenden Blick: ›!‹. Kramt dann in Blütlein gelb & weiß; zeigt sie, auf fetter=kleiner Handfläche dem Guiden:
–, und spricht dazu etwa): »... –: ›Sammeln vor Sonnenaufgang, wenn der Mond unter der Erde ist. Zuvor nicht reden; aber sie dreimal grüßen. Dann, nachdem man sich überzeugt hat, daß kein entgegenstehender Wind weht, ausheben, und sofort ausdrücken. Innerlich gegen Aufstoßen, und wunden Hintern. Äußerlich, in einem Schwamm auf den Kopf gelegt, macht der Saft das Haar schön herabwallen.‹ –: ›Ist zu pflücken, ehe man es donnern hört; (Wer es schneidet, verwundet sich gewöhnlich dabei); aber auch so muß der Sammler immer wieder auf Knobloch beißen, und einen Schluck Wein nachtrinken; weil sonst leicht der Schwarzspecht zum Schutz der Wurzel herbeieilt, und dem Gräber nach den Augen hackt.: gut gegen stinkende Hoden; wider den Seehasen; zieht die Nachgeburt.‹
Die Eider ist kein bloßer Fluss. Für den Schmidtianer ist sie Palimpsest und Passage zugleich – ein Textstrom, in dem Mnemosyne flüstert und Lethe löscht. Wer aus ihr trinkt, vergisst nicht – sondern schreibt sich um. So entsteht im Rücklauf eine neue Syntax des Selbst.
"Die Eiderfahrt – Eine halluzinogene Transformation literarischer Geister" Dieses Projekt ist keine Illustration. Es ist auch keine Hommage. Es ist eine alchemistische Reaktion – zwischen Sprache und Bild, Geist und Metapher, Ufer und Abgrund. Jens Rusch begibt sich mit dieser neuen Werkreihe auf eine Reise stromabwärts, entlang der Eider, die weniger ein Fluss als ein bewusstseinsverändernder Strom ist: ein inneres Gewässer, das literarische Stimmen, historische Sedimente und persönliche Visionen mit sich führt.
Im Zentrum steht kein erzählter Stoff, sondern eine Konstellation von Geistern: Arno Schmidt, James Joyce, Friedrich Hebbel, Klaus Groth und Gustav Frenssen – jeder von ihnen eine Verwerfung im literarischen Zeitgefüge, eine tektonische Linie der Sprachlandschaft. Doch Rusch formt aus ihnen mentale Zustände, allegorische Schattenkörper, närrische Totengestalten auf einem überladenen Schiff, das barock und brüchig zugleich durch norddeutsche Nebel gleitet.
Die St. Michelle II, benannt nach H.G. Wells’ Dampfyacht, wird hier zum surrealen Archetyp – ein Narrenschiff der Literatur, getrieben von Windstößen aus Typoskripten, mit Takelwerk aus Tintenfischarmen und Segeln aus Manuskriptseiten. Die Landschaft ist real und traumgleich zugleich: Tellingstedt, die Eider, Dithmarschen, die Heimat des Künstlers, durchzogen von seltsamen Verformungen, algenumwucherten Denkfragmenten, dialektalen Echos.
Die Bilder entstehen nicht zur Verdeutlichung eines Textes – sie sind dessen energetische Nachwirkung. Rusch malt, als würde er unter Einfluss lesen. Sprache wird bei ihm zur Materie, die sich in bronzeartigen Flächen ablagert, in Daguerreotypien aus Quecksilber und Zeit, in gealterte Bilder, die wie wiedergefundene Dokumente eines Wahnsinns erscheinen, der nie ganz vergangen ist.
In ihrer Dichte, Rätselhaftigkeit und Eigenwilligkeit leisten diese Werke Widerstand – wie die Texte, die sie hervorgebracht haben. Der Betrachter ist eingeladen, mitzureisen: nicht als Leser, sondern als träumender Matrose.
Zwei Männer stehen auf einem hölzernen Anleger an der Eider, inmitten norddeutscher Melancholie. Hinter ihnen liegt – wie aus einem Kupferstich entsprungen – die Saint Michel III, Jules Vernes legendäre Dampfyacht, halb Segelschiff, halb Maschine, bereit zur Fahrt in unbekannte Welten.
Der eine ist Jules Verne selbst, visionärer Chronist künftiger Erfindungen, der andere Arno Schmidt, Wortlandschaftsverformer und passionierter Gegner aller bürgerlichen Engstirnigkeit. Sie führen ein Gespräch, das nie stattgefunden hat – und doch in dieser Bildwelt real geworden ist.
Im Zentrum ihres Austauschs: ein Buch, das noch gar nicht geschrieben ist, und dennoch schon auf dem Plankenboden zwischen ihnen liegt – „Jules Verne auf Eider und Kanal“ von Frank Trende.
Schmidt hebt es auf, blättert darin, runzelt die Stirn.
„Der Mann schreibt über uns“, sagt er leise.
Verne lächelt und schaut zur Yacht: „Dann sollten wir ihm die passenden Zitate hinterlassen.“
„Rückwirkend, versteht sich“, murmelt Schmidt. „Ich überarbeite meine Werkstattgespräche – du platzierst ein paar norddeutsche Kanäle zwischen Kapitän Nemo und die Mondkanone.“
Und dann fällt ein Satz, der in der Luft stehen bleibt wie eine literarische Libelle: „Die Fahrt scheint nach unbekannten Welten zu gehen.“
Das noch nicht gemalte Gemälde „Unter den Laubengängen der Eider“ ist nicht nur eine Hommage an dieses fiktive Treffen, sondern auch eine Überblendung literarischer Zeiten und Realitäten. Die Laubengänge der Eider, ein poetischer Topos aus Trendes Werk, werden in diesem Bild zur sinnbildlichen Kulisse: für Verschwörung, Verständigung, Versenkung.
Hier wird Geschichte nicht erzählt, sondern imaginiert.
Und das Gespräch über Literatur wird selbst zur literarischen Figur – sichtbar gemacht in Farbe, Textur und Tiefe.
Wenig später gesellte sich auch noch sein Bruder Paul Verne hinzu, weil ihn das Thema zu interessieren schien.
Im Juni 1881 durchquerte der weltberühmte französische Schriftsteller Jules Verne auf dem Weg nach Kopenhagen auch Schleswig-Holstein. Mit seiner Dampfyacht "Saint Michel III" befuhr Verne die Eider von Tönning vorbei an Friedrichstadt bis nach Rendsburg und ließ sich bis Kiel durch den alten Schleswig-Holsteinischen Kanal schleusen. Paul Verne schildert in seiner Reportage eine unbeschwerte Lustreise durch eine idyllische Parklandschaft und nimmt doch aufmerksam wahr, wie Kiel zum kaiserlichen Flottenstützpunkt ausgebaut wird. Auch der Plan zum Bau eines neuen Nord-Ostsee-Kanals ist der französischen Reisegesellschaft bekannt. In einem Essay schildert Frank Trende die Hintergründe der Reise und stellt ihre literarischen Folgewirkungen vor. Deutschlands führender Jules-Verne-Experte Volker Dehs steuert ein Vorwort bei. Abbildungen und Karten aus dem alten Schleswig-Holstein runden das stimmungsvolle Bild von Landschaft, Kultur und Kanal ab.
„Peniden, alles Peniden“ – Gartenzwerge als phallische Kulturikonen in der Lesart Arno Schmidts, bildnerisch interpretiert von Jens Rusch
In der populären Vorstellung gelten Gartenzwerge als harmlose Zierfiguren des Kleinbürgertums – freundliche, rotbemützte Wesen, die den Garten bevölkern, Werkzeuge schwingen, Pfeife rauchen und der vermeintlichen Ordnung dienen. Doch unter dieser folkloristischen Oberfläche steckt, wie verschiedene kulturwissenschaftliche Studien nahelegen, ein symbolisches Vexierbild: Der Gartenzwerg als Phallussymbol, eingebettet in eine sexualisierte, wenngleich verdrängte Ikonografie der bürgerlichen Alltagswelt.
Arno Schmidt greift dieses Motiv mit schneidendem Witz auf. In einem Typoskriptfragment verdichtet er seine Beobachtung zur bissigen Feststellung:
„Peniden, alles Peniden.“
Was wie ein erfundener Gattungsname klingt, ist in Wahrheit eine ironisch-psychoanalytische Entlarvung. Die Gartenzwerge erscheinen in seiner Sprachwelt nicht mehr als dekorative Kleinfiguren,
sondern als literarisch aufgeladene Miniaturen männlicher Triebprojektion – grotesk, phallisch überzeichnet, absurd.
Diese Lesart bildet die konzeptionelle Grundlage für eine aktuelle Radierung von Jens Rusch, die sich auf eindrucksvolle Weise zwischen
Zeichnung, Ironie und Literaturkommentar bewegt.
Die Szene zeigt eine Gruppe stilisierter Zwerge, inszeniert wie auf einer Bühne.
Einer schiebt eine Schubkarre, darin liegt eine riesige Gurke – als absurde Allegorie des männlichen Prinzips.
Die anderen tragen ebenfalls überdimensionierte Gurken, und ihre Zipfelmützen laufen organisch in vegetabil-phallische Formen aus.
Der gesamte Hintergrund besteht aus vergilbtem Maschinenschrifttext – dem Typoskript Arno Schmidts, das zur Tapete des Unterbewusstseins wird.
Durch ihre bewusst auf Daguerreotypie getrimmte Sepia-Ästhetik wirkt die Szene wie ein historisch belegter Traum, in dem literarischer Subtext, psychoanalytisches Erbe und künstlerischer Spott miteinander verschmelzen. Jens Rusch gelingt es, Schmidts ironische Demontage der Gartenzwerg-Kultur nicht nur bildnerisch zu zitieren, sondern sie in eine eigene, vielschichtige Ikonografie zu übersetzen.
Was bleibt, ist ein Blick in die Miniaturwelt einer verdrängten Symbolik: humorvoll, tiefgründig, irritierend klar.
„Peniden, alles Peniden.“ – vielleicht war es nie nur ein Scherz.
Hier sehen Sie die Radierung, Strichätzung und malerische Aquatinta. Diese entstand ca. um 1991 herum. In der nachfolgenden kleinen Galerie sehen Sie eine neue Interpretation durch KI im Jahre 2025 in der eine algorithmische Prüderie zum Ausdruck kommt, denn die zugängigen Instrumente verwandeln alle phallischen Symbole darin automatisch in Gurken. KI kann Kunst nicht von Pornographie unterscheiden.
Nachricht aus der LäEndlichkeit
»Gehirn wie gehabt – für Erdarbeiten hervorragend geeignet
........« man tut sich weiterhin schwer in Telling an der Eider.
Nachdem die Initiative einiger GASL-Mitglieder (Lowsky/
Rusch/Krömmelbein), hier ein »Literaturhaus« zu installieren, an
der selbstvermeintlichen Bauernschläue des Bürgermeisters schei-
terte, wird das kulturelle Folgeprogramm vor Ort durch Autoren
wie Martin Henkel geprägt.
In der Veranstaltung »BLUFF auch mare ignorantiae« – so die
Ankündigung in der Regionalpresse – sollte sich eigentlich nach
der Vorstellung der Veranstalter das widerspiegeln, worin sich der
Bürgermeister Karsten Jasper und der Impresario des sog. »FIZ«, ein Herr Uwe Böttjer, einig sind: »Wir haben versucht, ihn zu
lesen, aber wir haben ihn nicht verstanden!«
Allemal Grund genug, eine ganze Veranstaltungsreihe (!) unter
dem Motto »Ein (Ein-)Gebildeter für (Ein-)Gebildete« zu initiie-
ren. Wie es weiterhin in der Presse hieß, sollten diese Veran-
staltungen zur Nachdenklichkeit darüber anregen, wie sehr noch
das Märchen »Des Kaisers neue Kleider« Gültigkeit habe, und sei
weiterhin als Diskurs über die Beeinflussbarkeit des Menschen
gedacht.
Einen krassen Gegensatz zu diesem Versuch, im regionalen
Umfeld verbreitetes Unverständnis oder besser »verbreitete Un-kenntnis« zu mobilisieren und somit zu vermarkten, stellte die
Formulierung der Einladung an die Mitglieder der GASL dar!
Hier war noch von einer Aufforderung zu einer »anregenden
Diskussion ›zum Phänomen Arno Schmidt‹« die Rede. Für die
beabsichtigte Kontroverse braucht man eben zwei Meinungen,
erst dann kann sich der Veranstalter beruhigt zurücklehnen und
die 30,– DM (Unkostenbeitrag!) pro Kopf zusammenzählen.
In Tellingstedt verlautbart man indes offen, Schmidtianer seien
intellektuelle Literaturfanatiker, die aus dem gesamten Bundes-
gebiet angereist kämen, so nur jemand laut genug den Namen
Arno Schmidt verkünde.
In Bezug auf die erwähnte Veranstaltung ging die Rechnung je-
doch nicht auf. Die Veranstalter blieben mit Herrn Henkel »unter
sich«.
In: Schauerfeld. Mitteilungen der Gesellschaft der Arno-Schmidt-
Leser. 7. Jahrgang 1994 (3./4. Heft, Februar 1995), S. 21.
Noch bin ich nicht beflügelt, doch ist um mich ein Flattern.
Es ist das Papier. Und es sind Fische.
Die Szene erschien mir beim Aufwachen: bizarr, deutlich, unübersehbar. Große Fischwesen, aufrecht gehend, mit menschlichen Gliedmaßen, steigen aus der Eider bei Tellingstedt. Ihre Leiber sind schwer, glänzend von Feuchtigkeit, ihre Haltung würdevoll müde. Auf den Rücken geschnallt: sperrige Buchstapel, gefesselt mit Lederriemen. In den Armen: dicke Folianten, manch einer durchweicht. Und nur einer trägt einen Titel, gestochen scharf: Schule der Atheisten.
Ich wusste sofort, wer das ist. Nicht nur irgendeine Lesergruppe. Sondern wir. Die Mitglieder der GASL. Die sogenannten „Arno-Schmidt-Enthusiasten“, von denen ein norddeutscher Bürgermeister einst unheilvoll raunte, sie würden „in Scharen über die Region hereinbrechen“, wenn man nur den Namen des Autors laut genug ausspreche.
Ein merkwürdiger Satz. Und doch eine unfreiwillige Offenbarung. Denn diese literarische Gemeinschaft, zu der ich mich zähle, ist tatsächlich eine Flut – nicht laut, nicht bedrohlich, aber unausweichlich. Eine Gezeitenbewegung des Denkens. Keine Sturmflut, sondern eine sanfte Anhebung des Wasserspiegels. Ein Flusslauf von Satz zu Satz.
Und so werden sie nun sichtbar: als Fischwesen, aus den Sedimentschichten der Zeit gehoben, beladen mit Sprache, erschöpft vom Tragen – und dennoch voller innerer Bewegung. Einige sind noch am Ufer. Andere stehen bereits bis zur Hüfte in der Eider und beginnen, ihr Wissen zu entlassen: nicht durch Worte, nicht durch Streit, sondern durch Papierschiffchen, gefaltet aus Sprachfragmenten, schweigend dem Strom übergeben.
Der Fluss ist in dieser Szene nicht bloß Kulisse – er ist Akteur. Er ist das Vehikel der Umwandlung, der Träger des Gedachten, das nie verhallt. Die Eider fließt, langsam, schilfgesäumt, belächelt vielleicht – und doch nimmt sie alles mit. Sie kennt das Kommen und Gehen, das Erscheinen und Verschwinden. Und sie hat nun eine neue Bedeutung erhalten: als poetische Trägerin literarischer Rückstände, als Grenze zwischen Behauptung und Erinnerung.
Was einst als spöttischer Einwand gedacht war – dass Schmidt eine Welle auslösen könnte – ist nun symbolisch eingelöst.
Nicht mit Getöse. Sondern mit stillen Wassern.
Mit Büchern auf dem Rücken.
Mit Papier in der Strömung.
Mit Bildern, die nicht illustrieren, sondern erinnern.
Und mit einem Fluss, der sich alles merkt.
Schaukasten eines künstlerischen Weges
Diese Komposition basiert auf einer realen Objektmontage des Künstlers und wurde zunächst als digitales Konglomerat entwickelt. Im Zentrum stehen stark abgenutzte Pinsel, in deren Holzschaft sich echte Dornen eingefügt haben – nicht als Dekoration, sondern als Ausdruck des Widerstands, der mit künstlerischer Arbeit verbunden ist.
Ergänzt wird die Szene durch fragil wirkende Elemente: ein rostiges Seepferd mit brüchigen Schmetterlingsflügeln, überlagerte Insektenkörper – teils natürlich, teils mechanisch –, sowie ein geöffnetes Streichholzheft mit einer Miniatur-Bleistiftzeichnung des Schriftstellers Arno Schmidt. Ein offenes Buch mit flatternden Seiten, darüber ein winziger Schädel mit Flügeln, evoziert das Spannungsfeld von Erkenntnis, Vergänglichkeit und Transzendenz.
Der Aufbau folgt der Logik eines reliquienartigen Schaukastens, inspiriert von den Assemblagen Joseph Cornells, aber mit stark autobiografischem Bezug. Es handelt sich nicht um ein nostalgisches Erinnerungsbild, sondern um die symbolische Verdichtung eines jahrzehntelangen künstlerischen Werdegangs – mit seinen Brüchen, Zweifeln, Verlusten und Wandlungen.
KONTAKT:
Jens Rusch
TELEFON: 04852 4848
Schulstrasse 38
25541 Brunsbüttel
jensrusch@gmx.de