Für Jens Rusch – Laudatio
Meine Damen und Herren,
wenn wir die Novelle „Der Schimmelreiter“, die Theodor Storm in Hademarschen nur einige Meter von hier, gleich um die Ecke, verfasste, lesen oder den Text hören, entstehen Bilder im Kopf. - Allein das Titelwort „Schimmelreiter“ ist schon vom bloßen Klang her einigermaßen bilderträchtig. - Wir malen uns etwas aus. Und damit bin ich beim Thema!
„Die Illustration wertvoller Dichtung halte ich für eine herrliche Sache“, schrieb Storm von hier an den Hamburger Maler Hans Speckter. Auch mit dessen Vater, Otto Speckter, und den Künstlern Ludwig Pietsch, Adolf Menzel und Hans Nicolai Sunde pflegte er freundschaftlichen Umgang. Wie eng der Dichter mit der Bilder schaffenden Kunst und ihren Schöpfern verbunden war, beweist zum einen die Tatsache, dass er einen Maler zur Hauptfigur einer Novelle macht – ich meine die Geschichte „Eine Malerarbeit“, zum anderen bedient er sich mehrfach Begrifflichkeiten aus der Malerei, wie „Staffelei“ oder „Leinwand“, die er dann im übertragenen Sinne für seine Dichtung benutzt: So fühlte er sich nur dann zu Hause, „wenn man wenigstens für ein Kleines seine Leinwand aufgespannt hat.“ Oder er wünscht sich, wieder „etwas auf die Staffelei“ zu bekommen, also etwas Neues zu dichten.
In seinen Erzählungen entfaltet Theodor Storm eine Fülle von anschaulich beschriebenen Gestalten und Schauplätzen, Szenen und Landschaften. Mit den Mitteln der Sprache gelingt es dem Dichter, die Phantasie seines Publikums herauszufordern. Und gerade der „Schimmelreiter“ ist dafür ein leuchtendes Beispiel.
Nach der Lektüre oder dem Anhören verblassen die inneren Bilder nach und nach, verlöschen oder werden überdeckt von anderen, neueren. Wie schön wäre es doch, die Bilder im Kopf dauerhaft zu speichern! - Der Künstler nun besitzt mit seiner außergewöhnlichen Vorstellungskraft die besondere Gabe, das bildhafte menschliche Innenleben auf Papier, Leinwand oder die Druckplatte zu übertragen, wozu auch noch großes handwerkliches Geschick gehört. Jens Rusch ist ein solcher Künstler.
Jens Rusch wurde 1950 in Neufeld / Dithmarschen geboren, war Meisterschüler bei dem bekannten Professor Eberhard Schlotter in Spanien und schuf mit einem Bilderzyklus zu Goethes Meisterwerk „Faust“ ein Beispiel gebendes Werk, das zeigt, wie man Weltliteratur in gute bildnerische Kunst umwandeln kann.
Der Künstler setzte sich mit den alten Texten der „Carmina Burana“ auseinander, genauso wie mit dem modernen Dichter Arno Schmidt. Auch „Don Quijote“ erfuhr künstlerische Bearbeitung. 2006 veröffentlichte er den Radierungs-Zyklus „Evolution“ zu Charles Darwin. Auch dem W:O:A ist Jens Rusch verbunden, seine Bilder zeigen detailreich typische Szenen. Aus W:O:A wird W:O:Art. - Die Liste seiner Werke ist lang und äußerst vielfältig.
Ebenso lang ist die Liste der Orte, an denen Jens Rusch seine Bilder ausstellte, Europa weit, neben Deutschland natürlich vor allem in Spanien, wo der Künstler einige Zeit lebte und ein Atelier betrieb.
Viele Auszeichnungen und Preise ehren Jens Rusch: Zum einen geht es dabei um seine beeindruckende Kunst, zum anderen um sein großartiges ehrenamtliches Engagement. 2001 erkrankte er an Krebs. Chemotherapie, mehrere Operationen und radiologische Behandlungen sowie verschiedene Spätfolgen beeinflussten sein Leben und prägten und prägen seine weitere künstlerische Entwicklung. – Jens Rusch gründete die berühmt, berüchtigte Wattolümpiade an der Nordseeküste, eine Benefizveranstaltung, die Jahr für Jahr neben weiteren Projekten den Spendentopf zu Gunsten der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft reichlich füllte. – Verschiedene Ehrenmitgliedschaften, Kulturpreise und das Bundesverdienstkreuz am Bande legen ein deutliches Zeugnis ab.
DER SCHIMMELREITER nähert sich dem Künstler Jens Rusch zu Hause am Deich; der Dithmarscher kennt die Eigentümlichkeiten der Nordsee und der Menschen der Küste, und er beschäftigt sich intensiv mit Storms Novelle. Herausgekommen sind Bilder, die zeigen, dass Rusch auch zwischen den Zeilen gelesen hat, ein Gespür für die Charaktere entwickelt. Wir sehen Bilder, die mehr sind als bloße Illustrationen eines Textes, sie regen vielmehr zum Nachdenken über das Geschehen an.
Viele Künstler haben sich des Schimmelreiters angenommen; aber nur Jens Rusch war es bisher vergönnt, dass seine Bilder von mehreren Schulbuchverlagen übernommen wurden. – Im Jahre 2003 erschien sein Buch „Der illustrierte Schimmelreiter“ in Südkorea auf koreanisch.
In der Literaturgeschichte wird die Dichtung Theodor Storms der Epoche des Realismus zugeordnet; auch das künstlerische Werk des Malers Jens Rusch ist zunächst dem Realismus verpflichtet, einem Realismus allerdings, der Abseitiges, Mystisches, Fantastisches und Traumhaftes zeigt und damit die Tür zum Surrealismus aufstößt. Und Storms SCHIMMELREITER? – Auch in diesem literarischen Werk ist längst nicht alles realistisch.
Denken Sie an das viele unheimliche Geschehen! Was passiert z. B. auf Jevershallig? – Und Hauke Haien wird vom logisch denkenden Rationalisten, der Zeit seines Lebens gegen Spökenkiekerei und Aberglauben vorgeht, selbst zum spukenden Gespenst auf dem Deich. Der Psychoanalytiker Siegmund Freud beschreibt das Unheimliche als etwas Schreckhaftes, was bei den Menschen Angst und Grauen erregt. Und Jens Rusch nun beschäftigt sich mit diesen Gedanken und lässt sie in seine Arbeiten zum SCHIMMELREITER einfließen. Er macht sichtbar, was sich hinter den dichterischen Worten verbirgt, was nicht lesbar ist. Viele der neuen Schimmelreiter-Bilder finden Sie in dem Heft NORDSEE IST MORDSEE abgebildet, und eine Kostprobe haben wir auch hier. - Apropos Kostprobe: Jens Ruschs unheimlicher Schimmelreiter auf dem Pferdegerippe klebt als Etikett auf dieser Bierflasche, ebenso ein kurzer Text, den ich Ihnen vortragen möchte. … Dies norddeutsch herbe „Schimmel-Pils“ können Sie hier kaufen und genießen oder auch eine Flasche mit lieblichem Alsterwasser. Der Künstler wird Ihnen das Bild auf der Flasche gerne signieren. Der Gewinn aus dem Verkauf dient der kulturellen Arbeit zum Andenken unseres Dichters Theodor Storm. -
Meine Damen und Herren,
heute ist ein besonderer Tag. Der Deichgraf Hauke Haien kehrt mit seinem Schimmel in Form großartiger Bilder zurück an den Ort seiner Entstehung. Endgültig. - Der Schöpfer dieser Werke ist dabei und wird Ihnen Ihre Fragen zu seiner Sicht auf den Schimmelreiter gerne beantworten. - Ich freue mich, lieber Jens, dass du da bist, und danke dir von Herzen; das gilt genauso für deine Frau Susanne, ihr bildet doch eine Einheit. – Und auch Ihnen, liebes Publikum, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Hartmut Schalke am 16. 10. 2025 in Hanerau - Hademarschen
KONTAKT:
Jens Rusch
TELEFON: 04852 4848
Schulstrasse 38
25541 Brunsbüttel
jensrusch@gmx.de